Die Chloranthie der Macht
Die größte Gefahr für die Politik ist nicht der Extremismus, sondern die Vergrünung.
In der Botanik bezeichnet Vergrünung den Prozess, bei dem eine farbenprächtige Blüte ihre Form verliert und sich in ein grünes, funktionales Laubblatt verwandelt. Die Blüte, die einst der Inbegriff der Schönheit und der Fortpflanzung war, wird zu einem Organ der reinen Photosynthese, zur bloßen Selbsterhaltung.
Genau das passiert mit der Politik.
Die bunten Blüten der Ideale, der Visionen, der charismatischen Auftritte verlieren ihre Farbe und Form. Sie werden zu grünen, laubblattähnlichen Strukturen der Verwaltung. Die große Rede über die Zukunft wird zur PowerPoint-Präsentation über Key Performance Indicators. Der kühne gesellschaftliche Entwurf wird zum abgestimmten Papier der Fachkommission. Die politische Blüte, die einst begeistern sollte, wird zum grünen Verwaltungsakt, der nur noch funktionieren soll.
Die Ursachen sind die bekannten Umwelteinflüsse des politischen Betriebs: der permanente Pollendruck der Meinungsforschung, der Nährstoffmangel an klaren Mehrheiten und die permanente Strahlung der öffentlichen Kritik. Unter diesem Stress bricht die genetische Information der Vision zusammen und die Pflanze Politik fällt in ihren ursprünglichen, sichereren Zustand zurück: den reinen Verwaltungsapparat.
Das ist kein Verrat, das ist eine Pathologie. Es ist ein "Rückschlag" zur ursprünglichen Form des Organismus, weil die Blüte zu riskant, zu verletzlich und zu aufwendig in der Pflege ist.
Am Ende ist die Politik nicht mehr blühend, sondern nur noch grün. Sie treibt keine neuen Früchte mehr hervor, sie betreibt nur noch Photosynthese zur eigenen Erhaltung. Und eine Gesellschaft, die sich von grünen Blättern ernährt, verhungert langsam, aber sicher.
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